Hier möchte ich unseren „internen Styleguide“ beschreiben. Heißt: Das, was unsere Kunden sprachlich in Bezug auf Rechtschreibung, Grammatik und Stil vorgesetzt bekommen, solange sie keinen eigenen Styleguide parat haben.

Regel 1: Ein Hoch auf die Duden-Empfehlungen

Ja, ich habe tatsächlich den Duden gelobt. Besonders, seitdem sich der Sandsturm namens Rechtschreibreform(en) gelegt hat und die Sicht klarer ist, schaut man wieder gern hinein. (Dass er jetzt völlig kostenlos und sehr praktisch im Internet zugänglich ist, stört auch nicht.) Gibt es mehrere mögliche Schreibweisen eines Worts, halten wir uns grundsätzlich an die vom Duden empfohlene Form. Erfreulich oft ist das die Form, wie wir sie noch in der Schule gelernt haben und die sich in unser Sprachgefühl eingebrannt hat.

So schreiben wir lieber „mithilfe“ als „mit Hilfe“ und „sodass“ statt „so dass“. Nur auf die Rücknahme des scheußlichen „zurzeit“ warten wir noch. Bis es soweit ist, schreiben wir eben „derzeit“.

Regel 2: Nicht alles, was darf, sollte auch

Wir bleiben bei den Freuden der reformierten Rechtschreibung. Viel zu viele (leider auch manche Übersetzer) glauben, man bräuchte heute im Grunde gar keine Kommas mehr zu setzen. Richtig ist, dass das Komma vor einem erweiterten Infinitiv mit „zu“ und die Kommas vor Hauptsätzen, die mit „und“/„oder“ eingeleitet werden, fakultativ sind. Sinnvoll finden wir sie trotzdem – jeder Leser hat auch mal eine Atempause verdient – und setzen sie stur weiterhin, wenn unsere Kunden nicht lautstark protestieren.

(Die Sache mit den Atempausen ist allerdings ein Anhaltspunkt, der mit Vorsicht zu genießen ist. Selbst in überregionalen Qualitätswochenzeitungen liest man schon mal Sätze, deren Autoren beim Sprechen offenbar sehr merkwürdige Pausen einzulegen pflegen, wie zum Beispiel: „Mithilfe seiner Rentiere, konnte der Weihnachtsmann alle Geschenke rechtzeitig ausliefern.“ Atemlos sollten hier nur die Rentiere selbst sein.)

Regel 3: Es darf schön aussehen

Ja, unsere Texte sollen nicht nur fachlich korrekt sein und gut klingen, sie dürfen durchaus auch schön aussehen.  Nicht schön ist es beispielsweise, wenn am Ende einer Zeile eine einsame Zahl oder am Anfang einer Zeile ein einsames „B.“ steht. Abhilfe schaffen ganz einfach geschützte Leerzeichen in „10 GB“, „z. B.“, „d. h.“ usw., die den Teil vor dem Leerzeichen galant mit auf die nächste Zeile ziehen.

Ganz und gar nicht schön sind auch die vielen, leider weit verbreiteten Unarten, Komposita zu bilden. Wir sind ja schon froh, wenn die „Hühner Suppe“ (man achte mal auf Tütensuppenbeschriftungen) wenigstens einen Bindestrich bekommt. „Hühner-Suppe“ sagt zumindest schon einmal aus, dass die Hühner und die Suppe etwas miteinander zu tun haben. Aber warum nicht gleich Tipparbeit sparen und eine schöne „Hühnersuppe“ daraus machen? Mit Unübersichtlichkeit der Wortzusammensetzung kann uns Maggi hier nun wirklich nicht kommen.  Bindestriche in Komposita sind insbesondere dann nicht mehr schön, wenn der erste Teil mit einem Genitiv-s aufhört. Wer möchte schon einen „Weihnachts-Baum“ im Wohnzimmer stehen haben?

Wo wir uns verstärkt (wenigstens) Bindestriche wünschen, sind Zusammensetzungen mit Produkt- und Firmennamen: Der „HoHoHo Motors Speedy XL Rentierschlitten“ müsste auf gut Deutsch (Stichwort Durchkopplung) „HoHoHo-Motors-Speedy-XL-Rentierschlitten“ heißen (nein, ein Bindestrich nach XL reicht auch nicht). Hier kommen uns leider allzu oft die Zeichensetzungsvorlieben unserer Kunden in die Quere. Besonders  an ihren Firmennamen möchten viele keinen Bindestrich sehen. Der Duden gesteht Eigennamen hier zwar eine Ausnahme zu, doch es gibt einen noch schöneren Ausweg, der nur ein klein wenig mehr Nachdenken erfordert: „der Rentierschlitten ‚Speedy XL‘ von HoHoHo Motors“.

Regel 4: Die Leserrolle einnehmen

Jeder kennt sie: Die Autoren, die meinen, mit möglichst komplizierten Satzkonstruktionen ihre Kompetenz unter Beweis stellen zu müssen. Ganz nach dem Motto: Wenn mein Leser mich nicht versteht, ist er wohl einfach nicht so schlau wie ich, wovon ich ja ohnehin ausgegangen war. Wir dagegen halten gerade den einfachen, verständlichen und dennoch fachlich exakten Ausdruck für die hohe Kunst des Formulierens. Deshalb versuchen wir spätestens im Korrekturdurchgang, uns etwas zurückzunehmen und zu fragen: Würde ich als Leser sofort erfassen können, was hier gesagt wird?

Gerade bei Handlungsanweisungen, zum Beispiel in Bedienungsanleitungen und Handbüchern, wären verschachtelte Sätze kontraproduktiv, aber auch „schöngeistigere“ Texte profitieren von einem guten Lesefluss.

Regel 5: In Deutsch schreiben

Wir übersetzen ins Deutsche, daher sollte das eigentlich selbstverständlich sein. Doch es gibt Fallen, in die man allzu leicht tappt. Legendär ist das allgegenwärtige „es macht Sinn“, das immer mehr das „Sinn ergeben“ oder „sinnvoll sein“ verdrängt. Aber auch „Ich erinnere köstliche Plätzchen aus meiner Kindheit“ ist kein gutes Deutsch, sondern eine Interferenz aus dem Englischen. Genauso steht es mit „Es gab gerade Gänsebraten, ich bin nicht länger hungrig“, „Mein Kind realisiert gerade, dass es keinen Weihnachtsmann gibt“ oder „Am Ende des Tages geht es doch nur um ein solides Sprachgefühl“. Nein, am Ende des Tages geht es zumindest bei unserem Tagesrhythmus nur noch um Entspannen. Am Sprachgefühl wird höchstens beim Lesen auf dem Sofa noch weiter gefeilt.

In diesem Sinne: Besinnliche Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

  • 16. Dezember 2011
  • Anja Neudert